Red Dot Award: Design Concept

Interview mit Paolo Trevisan

Red Dot im Interview mit Paolo Trevisan von Pininfarina

Paolo Trevisan ist Leiter der Abteilung Design und Architektur im Büro der Tochtergesellschaft von Pininfarina auf dem nord- und südamerikanischen Markt in Miami. Er beaufsichtigt den gesamten Designprozess, vom Briefing über die kreative Interpretation bis zur Auslieferung der Projekte und berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens, Paolo Pininfarina.

2019 wurde Pininfarina im Red Dot Award: Design Concept für das Konzept von Buswartehallen für die Stadt Miami Beach mit einem Red Dot ausgezeichnet. Die Wartehäuschen spiegeln Pininfarinas Ethos wider, dass sich Wohnen und Pendeln in ständiger Entwicklung befinden. Sie zeichnen sich durch innovative modulare Designs und zeitgemäße Technologie aus, die Pininfarinas Ziel unterstreichen, ein modernes, luftiges, zugängliches und komfortables Benutzererlebnis zu schaffen, bei dem Schönheit nie der Funktionalität zum Opfer fällt. Im Interview mit Red Dot erzählt Paolo Trevisan mehr über sein Verständnis von Design.

Red Dot: Warum haben Sie den Beruf des Designers gewählt?

Paolo Trevisan: Ich bin Designer geworden, weil ich die Menschen liebe. Mir macht es Freude, mit Menschen und Dingen zu interagieren. Als Designer habe ich die Möglichkeit, zu erforschen und zu entdecken, was in uns Menschen vorgeht und warum etwas schön ist, oder nicht. 

Ich hatte viele Hobbies im Laufe der Jahre – grafische Gestaltung von Logos, Eventmanagement, sogar DJ bin ich gewesen – dabei habe ich eine Tatsache erkannt: Jeder Mensch möchte sich artikulieren und zwar immer und in jeder Situation. Ich liebe es, Kreativität zu zelebrieren, weil Kreativität über Geographie, Rasse und Kultur hinausgeht – sie ermöglicht es den Menschen, sich zu verbinden. Ich denke, dass sich jeder Designer mit Leidenschaft für die Verbesserung der menschlichen Rasse einsetzen sollte. Sie müssen den Wunsch haben, die gebaute Umwelt und damit die Welt, zum Besseren zu verändern. Neugier ist der Schlüssel – mir war vorher nicht bewusst, dass so viele Aspekte des Lebens wirklich darauf hinauslaufen.

Was steht für Sie an erster Stelle: der Kunde oder das Geschäft?

Der Kunde steht immer an erster Stelle. Wir von Pininfarina sehen unsere Kunden als zentrale Partner für die Marke – es ist eine tiefe Beziehung. Wir teilen unsere Träume mit unseren Kunden ebenso wie mit unseren Auftraggebern. Pininfarina versteht, dass die Bedürfnisse der Endbenutzer dynamisch sind und dass sich ihre Gebäude und Räume mit ihnen entwickeln müssen. Pininfarinas Designprozess, sei es in der Industrie, in der gebauten Umgebung, im Transportwesen oder in der Automobilbranche, stellt den Kunden in den Mittelpunkt aller Entscheidungen.

Unsere Kundenbeziehungen haben zu Produkten und Räumen geführt, die den Kontext, die Geschichte, die Kultur, die Gemeinschaft und die natürliche Umwelt widerspiegeln. Wenn wir mit einem Kunden zusammenarbeiten, ist es ein Abenteuer, das wir gemeinsam in Angriff nehmen, indem wir kreative Lösungen finden. Natürlich haben wir immer das Geschäft im Kopf, aber der geschäftliche Aspekt entsteht erst aus dieser Beziehung.

Haben Sie persönlich von der Vorbereitung eines Großprojekts profitiert?

Ich habe am meisten von dem Lernprozess profitiert, der in jedes Projekt einfließt. Jedes einzelne Projekt erfordert ununterbrochenes Lernen. Immer wieder stellen wir uns der Herausforderung, es besser zu machen: aus der Vergangenheit zu lernen, für eine bessere Zukunft. Auszeichnungen sind ein willkommener Erfolg unserer harten Arbeit – eine Anerkennung für Begeisterung und Teamarbeit zu erhalten ist immer eine Bereicherung.

Was war der wichtigste Karrieremoment in Ihrer Designer-Laufbahn?

Der wichtigste Karrieremoment in meiner Designer-Laufbahn war mein erster Tag bei Pininfarina am internationalen Hauptsitz des Unternehmens in Turin, in Italien. Es war der Tag, an dem ich Teil der Pininfarina-Familie wurde.

Die Designschule ist niemals zu Ende, jedenfalls nicht für großartige Designer. Wie lernen Sie, wie erweitern Sie Ihr Wissen und Ihre Fachkenntnis?

Ich lerne durch einen absolut engagierten, praktischen Ansatz: mit zwei Augen, zwei Ohren, zwei Händen, einem Mund. Das Designteam von Pininfarina ist ständig bestrebt, bessere Lösungen für die immer komplexer werdenden Probleme der gebauten Umwelt zu finden, indem es die Forschung zur Entscheidungsfindung einbezieht und kalkulierte Konzepte in alle Aspekte des Designs einfließen lässt. Wir haben uns dazu verpflichtet, das Design durch die Innovation von Materialien, Werkzeugen und Prozessen voranzutreiben, um eine neue Generation von Projekten und Produkten zu schaffen. Gleichzeitig ist es unser Anliegen, die bekannte Ästhetik, die aus unserem automobilen Erbe stammt, beizubehalten.

Wenn Sie Ihre Unternehmenskultur in drei Worten beschreiben müssten, was würden Sie sagen?

Eleganz, Leistung, Innovation. Eigentlich würde ein Wort genügen: Leidenschaft.

Wie entscheiden Sie, welcher Mitarbeiter welche Aufgaben übernimmt?

Jede einzelne Person besitzt eine Mischung aus unterschiedlichen Fähigkeiten und Stärken. Bei einem erfolgreichen Designkonzept geht es um Ausgewogenheit - und darum, dass es immer eine gemeinsame Anstrengung ist.

Wann beschließen Sie, ein Produkt einzustellen oder ein bestimmtes Merkmal zu entfernen?

Wir bemühen uns, alles Überflüssige zu entfernen, wir nennen das „Pure Design“. Die Funktionalität hat oberste Priorität.

Ist Konsens immer eine gute Sache?

Nein, nicht immer! Bei Pininfarina fördern wir bei jeder neuen Herausforderung den Blick über den Tellerrand.

Wie sagt man „Nein“ zu jemandem?

Indem man einfach „Nein“ sagt.