Red Dot Gala: Product Design 2025 Start Livestream: 8. Juli, 17:45 Uhr (MESZ)
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Jury

Prof. Philipp Teufel

Professor Philipp Teufel studierte Visuelle Kommunikation und Szenografie an der HfG Gmünd in Schwäbisch Gmünd und war von 1985 bis 1995 Partner der Agentur conceptdesign in Frankfurt am Main. Bis 2007 gehörte er der Ateliergemeinschaft nowakteufelknyrim an; von 2008 bis 2017 war er Geschäftsführer des Ateliers malsyteufel. Als künstlerischer Berater für Szenografie unterstützte er von 2010 bis 2015 das Humboldt Forum im Berliner Schloss.

Philipp Teufel lehrt und forscht seit 30 Jahren in den Bereichen Exhibition- und Retail Design an der Hochschule Düsseldorf und ist derzeit Mitglied im Kunstbeirat des Bundesministeriums der Finanzen. Darüber hinaus fungiert Philipp Teufel seit 2020 als künstlerischer Leiter des Gartenmuseums Lennestadt. Derzeit kuratiert und präsentiert er die Ausstellung „Japanisches Glück” zusammen mit der Identity Foundation und entwickelt das Konzept für ein neuartiges Science Center.

Prof. Philipp Teufel

Red Dot im Interview mit Prof. Philipp Teufel

In Ihrem Werdegang vereinen sich Design, Architektur, Kunst, Medien und Forschung: Ist die Gestaltung im Raum dabei Ihr bevorzugtes Kreativfeld?

Schon im zweiten Semester meines Studiums kam ich mit Raumgestaltung in Berührung, und habe mich daraufhin zwei Semester lang intensiv mit den Grundlagen der Ausstellungsgestaltung beschäftigt. Nach einem Praktikum bei Prof. Ludwig Thürmer in Berlin, der damals Exhibition Design an der UDK lehrte, stand für mich fest: Das ist der Designbereich, der mich am meisten interessiert und fasziniert. Direkt nach dem Studium erhielt ich vom Deutschen Filmmuseum in Frankfurt die Chance, einige Ausstellungen zu gestalten. Anschließend folgten weitere Museen am Frankfurter Museumsufer als Auftraggeber – das Deutsche Architekturmuseum, das Jüdische Museum, das Historische Museum, das Museum für Vor- und Frühgeschichte, das Museum für Moderne Kunst und das Museum Judengasse. Plötzlich fand ich mich mitten in der Gestaltung im Raum wieder und hatte die großartige Möglichkeit, mit vielen berühmten Kuratoren, Architekten, Künstlern und Mediendesignern an ganz unterschiedlichen Themen und Inhalten zu arbeiten.

Was reizt Sie an diesem Designgenre nach so vielen Jahren immer noch? 

Die Vielfalt der Themen und Inhalte sowie die Herausforderung, eine Ausstellung und den zugehörigen Raum zu einem Erlebnis für Besucher zu machen. Im Lauf der Jahre durfte ich an ganz unterschiedlichen Themen arbeiten – das empfinde ich bis heute als große Bereicherung. Ausstellungen zu gestalten ist vergleichbar mit Theater- oder Filmregie: Es reizt mich immer wieder, neue Drehbücher und Inszenierungen dafür zu entwerfen.

Inwiefern haben die verstärkte interaktive Einbindung der Besucher sowie die multimedialen Möglichkeiten die Herangehensweise an das Exhibition Design verändert?

Die Herangehensweise an das Exhibition Design hat sich durch die multimedialen Möglichkeiten nicht grundlegend verändert. Konzeption und Entwurf sind jedoch komplexer und vielschichtiger geworden und die visuellen Ausdrucksformen vielfältiger und immersiver.

Wie muss eine Ausstellung aussehen, damit sie einen Experten wie Sie noch „packt“?

Sie muss mich überraschen, treffen – und nachwirken. Am besten kann ich das an zwei Beispielen erläutern: Eines meiner Lieblingsausstellungshäuser ist die Feuerle Collection in Berlin in einem ehemaligen Bunker. Das Ausstellungsdesign stammt von John Pawson, dem „Godfather of Cool“. Wie er dort die Sammlung asiatischer Kunst inszeniert hat, ist mehr als beeindruckend. Das gesamte Konzept des Hauses ist stimmig – ein Muss für alle, die in Berlin eine besondere Ausstellung erleben wollen. Man muss sich allerdings auf die Spielregeln der Feuerle Collection einlassen. Mehr verrate ich nicht! Die zweite Ausstellung, die mich nachhaltig „gepackt“ hat, war „Natur und Wir“ im Stapferhaus in Lenzburg in der Schweiz. Das Stapferhaus bietet eine Architektur, die speziell fürs Ausstellungsmachen entworfen wurde  – vom Tageslichtraum bis zur Blackbox ist dort alles möglich. Die geschätzten Kollegen von KOSSMANNDEJONG aus Amsterdam haben für dieses Haus schon mehrere Ausstellungshighlights konzipiert und realisiert. „Natur. Und wir?“ war eine Barfuß-Ausstellung – zwei Stunden nach dem Besuch habe ich die Ausstellung immer noch an meinen Fußsohlen gespürt.

Exhibition und Retail Design werden meist als Einheit betrachtet. Worin liegen dennoch signifikante Unterschiede in der gestalterischen Konzeption?

In der gestalterischen Konzeption sehe ich keine signifikanten Unterschiede, wohl aber in der Zielsetzung. Die Nähe des Retail Designs zum Exhibition Design ist unverkennbar: Exponate und Produkte werden in Regalen, Vitrinen oder Displays präsentiert. Sortimente sind äquivalent zu Kollektionen: Beide wetteifern um die Gunst des Publikums und möchten Kunden gewinnen, die die Präsentation durchwandern und Objekte betrachten, die in klassifizierter, inszenierter oder komponierter Szenografie ausgestellt sind. Museen wie Geschäfte lassen sich als Ausstellungen von Sammlungen begreifen. Präsentation und Inszenierung weisen keine Unterschiede auf, nur die Geschäftsmodelle sind verschieden. Diese wechselseitige Beeinflussung – von marktwirtschaftlichem Einzelhandel und dem Museum als Ort originaler, authentischer, einzigartiger Kulturware – findet seit den 1990er Jahren ihren Ausdruck im Konzept des Flagship-Stores.

Sie beschreiben diese Gemeinsamkeiten auch ausführlich in Ihrem Buch „Holistic Retail Design“. Hat sich das Retail Design denn aufgrund der Digitalität verändert?

Die grundlegende Haltung der Verbraucher hat sich nicht verändert – das Shopping folgt weiterhin den drei Retail-Archetypen: Markt, Magazin, Museum. Der Kunde agiert als „Konsument und Bürger“, „aufgeklärter Konsument“ oder als „Lifestyle-Tourist“ und bringt seine Wertvorstellungen und Motive zum Shopping mit. Retailer und Retail Designer müssen daraus den passenden Archetypen-Mix für ihr Geschäftsmodell ableiten und gestalterisch umsetzen.

Sie sind seit einigen Jahren auch künstlerischer Direktor des Gartenmuseums in Lennestadt – was ist an dieser Aufgabe besonders reizvoll?
Nachdem ich als Gestalter zahlreiche Ausstellungen und Museen entworfen habe, wollte ich die Perspektive wechseln und das Genre aus kuratorischer Sicht erkunden. So habe ich mir ein Museum ausgedacht – und einen jungen, mutigen Unternehmer getroffen, der von der Idee begeistert war und das Projekt finanzierte. Diese Erfahrung hat meine Rolle verändert: Seither bin ich verstärkt als Kurator tätig – auch bei anderen Ausstellungen.

Inwiefern hat sich die Designausbildung in der jüngeren Vergangenheit gewandelt – und welche Aspekte werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen?

Zentral sind die zunehmende Rolle von KI im kreativen Prozess sowie neue Produktionsmöglichkeiten durch eine Vielzahl digitaler Tools. Studierende müssen lernen und trainieren, mit diesen Technologien souverän umzugehen und sie für ihre Konzepte und Entwürfe zu nutzen. Gleichzeitig ist es wichtig, auch die Risiken und Herausforderungen zu vermitteln, die damit einhergehen. Was sicher bleibt, ist einer meiner Leitsätze, der meine Lehre stets durchzogen hat: Gestaltung ist Haltung.

Raten Sie Ihren Studierenden eher zum „Generalistentum“ oder zur Spezialisierung?

Als Lehrender schaue ich immer sehr genau auf die Persönlichkeit der Studierenden. Da gibt es diejenigen, die später großartige Generalisten werden, und die anderen, bei denen vielleicht schon im Studium erkennbar ist, dass sie perfekte Spezialisten werden.

Können Sie uns noch etwas über Ihre aktuelle Ausstellung „Japanisches Glück“ verraten? 

Zahlreiche Japanreisen und viele gemeinsame Ausstellungsprojekte mit japanischen Institutionen vor Ort haben meine Faszination für Ästhetik und Kultur des Landes geprägt. Diese Begeisterung wollte ich gern mit anderen teilen – so habe ich gemeinsam mit einem Kollegen das Projekt „Japanisches Glück“ konzipiert, bei dem ich erneut die kuratorische Rolle übernommen habe. Das „japanische Glück“ bezieht sich in unserem Projekt aber nicht auf das Glück der Japaner. Es steht allen Kulturen offen. Die japanische Ästhetik hat allerdings der Versöhnung von Mensch und Natur mit dem Kreislauf des Lebens mehr Aufmerksamkeit gewidmet als die westliche, auf interesseloses Wohlgefallen gerichtete ästhetische Theorie.

Wie gingen Sie an die Konzeption heran?

Im Raum standen natürlich die Fragen: Wie stellt man Glück aus? Was ist Glück, wo findet man es? Der in New York lebende Designer Stefan Sagmeister hat sich intensiv mit diesen Fragen beschäftigt. Die Ausstellung „The Happy Show“ inszeniert seine persönliche Glücksforschung. Sie wurde weltweit in verschiedenen Museen mit großem Erfolg gezeigt. In Kopenhagen gibt es ein eigenes Glücksmuseum, und Ende letzten Jahres wurde im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden die Ausstellung „Hello Happiness“ gezeigt. Das Thema „Glück“ scheint also in Ausstellungen und Museen Konjunktur zu haben.

Die Ausstellung „Japanisches Glück“ ist sowohl eine experimentelle als auch sensorische Designausstellung. Sie unternimmt den Versuch, anhand ausgewählter Objekte des täglichen Lebens, Designobjekten und Kunstwerken die Zusammenhänge von Glück und japanischer Ästhetik zu beleuchten. Der in Japan lebende Typograph Helmut Schmid nannte es in seiner Ausstellung „nippon no nippon“ einst „die leise Schönheit der Dinge“. Diese ästhetische Erfahrung kann man natürlich in allen Kulturen machen, aber wir sind der Auffassung, dass die japanische Ästhetik den leisen Tönen mehr Aufmerksamkeit und Hingabe schenkt als die westliche Ästhetik. Aus Sicht der Japanologie ist das hier gezeichnete Bild Japans sicherlich sehr unvollständig und eindimensional. Aber vielleicht führt ja die Reibung zwischen den Kulturen und Disziplinen zu neuen Erkenntnissen?

Auch diese Ausstellung lebt von unterschiedlichen Blickwinkeln …

Das ist richtig. Ausgewählt wurden Objekte von 20 geladenen Co-Autorinnen und -Autoren aus den Bereichen Kunst, Design, Philosophie, Kochen, Japanologie, Musik, Belletristik, Mode, Fotografie, Typographie und Ausstellung, die alle einen persönlichen Bezug zu Japan haben oder dort leben. Unser Ziel ist es, das Publikum anhand der ausgewählten Objekte und Installationen an dem Glück teilhaben zu lassen, das diesen Objekten in unseren Augen innewohnt. In sinnlichen und zugleich sinnhaften Präsentationen wollen wir diesen Hauch von Glück vermitteln und weitergeben.

Und last but not least stammen das gestalterische Konzept und die Umsetzung von Studierenden der Masterstudiengänge Exhibition Design der Hochschule Düsseldorf und der Kunstakademie in Tallinn.