Red Dot Award: Brands & Communication Design

Sounddesigner Rainer Hirt im Interview – „Das Schrillste ist nicht immer das Richtige.“

Oft reicht es, das subtile „Klick“-Geräusch beim Sperren eines Smartphones zu hören und schon hat man den Gerätehersteller erkannt. Der Wert der Wiedererkennung über Sound ist für Unternehmen ein wichtiges Element unter anderem im Corporate Design. Daneben bekommt UX Sound Design eine immer wichtigere Rolle. Den Sinn „Hören“ zu bedienen ist eine hohe Kunst, die sich mit den Jahren auch an technische Entwicklung, wie den Einsatz von künstlicher Intelligenz, angepasst hat.

Als einer der gefragtesten Sounddesigner Deutschlands spricht Rainer Hirt im Interview mit Red Dot über die Neuerungen und die Zukunft des Sound Designs. 

„Bei einem bewussten Einsatz von Sounds, Musik und Stimmen, können Marken ein zuvor definiertes Image und Leitbild prägen und eine erweiterte Identitätseben aufbauen.“

Red Dot: Zum Start eine ganz grundsätzliche Frage: Wie können Marken Sounds für ihr Branding einsetzen?
Rainer Hirt: Heutzutage hat nahezu jede Marke mehrere Kommunikationskanäle, über die sie mit ihren Kunden, per se auch auditiv, kommuniziert. Von der Telefonschleife, über Videokommunikationsmaßnahmen bis hin zu digitalen oder physischen Messeständen. Bei einem bewussten Einsatz von Sounds, Musik und Stimmen, können Marken ein zuvor definiertes Image und Leitbild prägen und eine erweiterte Identitätsebene aufbauen.

In einem Interview mit Red Dot aus dem Jahr 2019 sagten Sie, dass das größte Innovationsfeld für Sound Design im Bereich „Deep Learning“ läge. Wie sieht es drei Jahre später aus?
Inzwischen hat sich insofern etwas getan, als das es vermehrt KI gestützte Software-Werkzeuge für  Sound Design und Komposition gibt. Sehr spannend ist dies bei künstlerisch orientierten Projekten. Eine Disruption in dem Sinne, dass Sounddesigner oder Komponisten inzwischen obsolet geworden sind, ist jedoch nicht festzustellen. Und vermutlich wird das auch so schnell nicht der Fall sein.

Hat sich seit 2019 ein neues, großes, Innovationsfeld für Sounddesign ergeben? 
Aktuell ist das Thema „Metaverse“ in aller Munde — auch im Sounddesign. Besonders interessant wird es sein, herauszufinden, welche sinn- und nutzenstiftenden Funktionen im Zusammenhang mit der auditiven Markenführung akustischen Elementen zugeordnet werden können. 

Sie sagen, Notificationsounds seien die neuen Audio-Logos. Welche Möglichkeiten bieten sich Unternehmen denn, ihre Markenidentität in digitale Anwendungen zu übertragen?
Wenn man sich fragt, in welchen Momenten ein Konsument oder Kunde mit einer Marke akustisch sehr direkt in Kontakt kommt, dann wird einem bewusst, dass es vermehrt bei der Nutzung vom Smartphone oder von Smartdevices, wie Smartwatches oder Smartspeaker, der Fall ist. Sobald eine Marke dort aktiv wird, entsteht eine sehr sensitive Form der Kommunikation mit den Kunden bzw. Nutzern. Notificationsounds helfen dem Benutzer ein Gerät oder eine App leichter zu bedienen. Diese Sounds werden unter Umständen häufig gehört und prägen somit sehr stark eine auditive Markenidentität. Diese subtilen und kurzen Soundelemente werden damit automatisch zu einer Art akustischen Markensignatur.

Es gibt Sounds, die hören wir mehrmals täglich. Das betrifft eingehende Nachrichten beim Messenger-Dienst ebenso wie das Starten von Computerprogrammen oder die beendete Ausgabe am Kaffeeautomaten. Viele dieser Geräusche sind mittlerweile gelernt und werden kaum noch bewusst wahrgenommen. Wie können sich Unternehmen hier noch Gehör verschaffen?
Wie in der visuellen Gestaltung gilt auch im Sound Design: das Schrillste ist nicht immer das Richtige. Das bedeutet, dass auch scheinbar „überhörte“ Sounds durchaus eine Daseinsberechtigung haben, insofern sie einen Mehrwert für den Benutzer bieten. Das kann auch subtiles Sound Design sein, welches nicht direkt nachgeahmt werden kann, jedoch unterbewusst dazu beiträgt, ein (multisensorisches) Benutzererlebnis positiv zu beeinflussen. Zum Beispiel ein sehr kurzer, zurückhaltender Klick-Soundeffekt beim Sperren eines Mobiltelefons.

Schalten Nutzer ihr Gerät, wie zum Beispiel das Smartphone, stumm, so wird Sound Design obsolet. Wie kann hier entgegengewirkt werden?
Offen gestanden finde ich es prinzipiell nicht schlimm, wenn Smartphones stumm geschalten werden. Es muss immer eine kontextuelle Sinnfrage gestellt werden. Nicht zu jedem Zeitpunkt und Lokalität ergeben akustische Reize Sinn. So sind im Büroalltag private Notifications eher unerwünscht, wobei ein Notruf von zu Hause durchaus eine Relevanz hätte. Hier sind zukünftig adaptive Sound-Design-Lösungen gefragt. Also das die Devices lernen und entscheiden, wann und wo welche Sounds Sinn ergeben.

Sprachassistenten verbreiten sich immer mehr und viele Haushalte sind mittlerweile zu „Smart Homes“ geworden. Wie ändert sich durch die sprachbasierte Ein- und Ausgabe (Voice User Interface/VUI) das Feld des UX-Designers?
VUI und VUX ist im engen Sinne als eine eigenständige Disziplin aufzufassen, in welche Dialog-Designer und Voice-Over-Artist mit Hilfe künstlicher Intelligenz neue Sprachsysteme entwickeln. Ein UX-Sounddesigner hat die Aufgabe, diese Elemente im UX-Sound-Konzept mitzudenken und in der gesamten Experience Journey auf kontextuelle und barrierefreie Notwendigkeiten zu überprüfen.

In klassischeren Designdisziplinen gibt es schon länger die Debatte über die Rolle des Designers in einer automatisierten Welt, in der Roboter oder Algorithmen die Gestaltung übernehmen. Was ist Ihre Prognose für die Rolle des Sounddesigners in der Zukunft?
KI wird vermutlich ein wichtiger Sparringspartner für den programmseitigen Sound-Design-Prozess werden. Bei Ambientmusic oder Stockmusic werden bestimmte Algorithmen in Tools in naher Zukunft dabei helfen, unterschiedliche funktionale Musikproduktionen zu erzeugen. Bei bewussten, vom Menschen gewünschten und auch durch Experimente nicht planbaren, Konzeptionen und Klanggestaltungen wird auch zukünftig die Rolle des Sounddesigners bestehen bleiben.

Über Rainer Hirt

1979 in Überlingen geboren, studierte Rainer Hirt Kommunikationsdesign an der Universität Konstanz.  2003 gründete er das Informationsportal für akustische Markenführung www.audio-branding.de. Nach seinem Studium war er zudem Mitbegründer von audity, einer Agentur, die auf Audio Branding und Audio Interaction spezialisiert ist. Neben seiner Tätigkeit als Supervisor verschiedener Forschungsprojekte an mehreren Universitäten, gründete er mit der Audio Branding Academy das erste unabhängigen Institut für akustische Markenkommunikation.

Anmeldungen noch bis 17. Juni möglich

Noch bis zum 17. Juni 2022 haben Sie die Möglichkeit, Ihr Sound-Projekt im Red Dot Award: Brands & Communication Design 2022 einzureichen und von unserer Fachjury bewerten zu lassen. Nutzen Sie im Falle der Auszeichnung das international bekannte Red Dot Label und kommunizieren Sie Ihren Wettbewerbserfolg sichtbar auf allen Plattformen. Alle Informationen zum Red Dot Award: Brands & Communication Design finden Sie auf unserer Website.