„Das Leben ist ein Dialog mit anderen Menschen.“
Zum Tod von Peter Schmidt
Seine Stimme ruhig, seine Sätze wohl überlegt, seine Aufmerksamkeit auf den Menschen gerichtet. Der Gestalter Peter Schmidt stand nicht gern im Mittelpunkt. Er trat lieber hinter den Produkten und Arbeiten zurück, die er geschaffen hat. Peter Schmidt ist am 24. Juli 2025 in Hamburg gestorben.
„Wir verlieren nicht nur einen herausragenden Gestalter, der mit seinen Flakons, Verpackungen und Logos Marken wie Jil Sander und Hugo Boss zu weltweiter Bekanntheit verholfen hat, sondern auch einen außergewöhnlichen Menschen und guten Freund“, sagt Peter Zec, Founder & CEO von Red Dot. „Ich erinnere mich noch sehr gut an die erste Begegnung mit Peter Schmidt. Er hatte zu einer Teezeremonie eingeladen. Und als wir beginnen wollten, ist er aufgestanden, zu meinem Platz gegangen und hat mein Teegedeck geordnet. Das war faszinierend.“
Bei Peter Schmidt hatten die Dinge immer ihren zugedachten Platz. Wer je das Vergnügen hatte, ihn in Hamburg besuchen zu dürfen, der ahnte, dass er aus dieser Ordnung seine Ruhe und Kraft schöpfte: „Die Ordnung dient dazu, zerstörerisch im Gedanken sein zu können“, so Peter Schmidt. Das war ihm wichtig. Erst dann entstand diese Leichtigkeit seiner Entwürfe.
Viele seiner Arbeiten wurden mit dem Roten Punkt für hohe Designqualität ausgezeichnet. Darunter die beiden Glasflaschen für Apollinaris: „Das Elementare an Wasser ist die Reinheit und Klarheit“, sagte Peter Schmidt zu seinen Entwürfen, „und ich habe die Aufgabe, die Menschen eben das elementare Ereignis der Dinge erleben zu lassen, ohne dabei pädagogisch zu wirken. Denn jeder weiß, dass die Reinheit des Wassers gefährdet ist. Ich sehe es als Aufgabe, sich für alles zu sensibilisieren, was um uns herum geschieht. Es ist aber wichtig, dass wir neben der Sensibilität eine große Kraft entwickeln“, so Peter Schmidt über seine Entwürfe.
Wie keinem anderen Designer weltweit ist ihm dies mit der Gestaltung von Flakons gelungen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte Paul Poiret als erster Modeschöpfer die Idee, passende Parfums zu seiner Haute Couture zu entwickeln, Coco Chanel war dann die erste Modedesignerin, die mit Chanel No. 5 einen weltweiten Erfolg feierte. Jeanne Lanvin, Elsa Schiaparelli und Christian Dior folgten dieser Idee.
Aber es gibt wohl keinen Designer weltweit, der sich wie Peter Schmidt mit Flakons und Verpackungen einen Namen gemacht hat. Der 1937 in Bayreuth geborene Peter Schmidt machte 1962 seinen Abschluss an der Werkkunstschule Kassel als Grafikdesigner und gründete 1972 die Peter Schmidt Studios in Hamburg. Der internationale Durchbruch gelang ihm 1980 mit einem Flakon und dem Corporate Design für Jil Sander. Er gestaltete ein Flakon für das Parfüm „Pure Woman“ in Form eines transluzenten Eiswürfels – ein Statement und ein puristischer Gegenentwurf zur damaligen Beliebigkeit.
Peter Schmidt plädierte für eine Reduktion und Konzentration auf das Wesentliche. In einem Interview sagte er einmal: „Alles ist heute möglich, was dazu verführt, ins Übermäßige, Unverhältnismäßige und eben völlig Unangemessene abzugleiten.“
Es folgten Flakons für Wolfgang Joop, Hugo Boss, Bogner und Strellson. Darunter der im Jahr 2000 ausgezeichnete Flakon „Dark Blue“, eine der meistverkauften Herrendüfte von Hugo Boss. Peter Schmidt hatte den Flakon bewusst einem Cocktail-Shaker nachempfunden, um Assoziationen zum aufregenden „Nightlife“ der Jahrtausendwende herzustellen. Die markante blaue Farbe und die Kombination aus Glas und Metall erinnern an die nächtlichen Stimmungen in einer Bar. „Ich bin ein Mensch, der immer alles sehr leicht nimmt, der immer eine Leichtigkeit sucht – eine Leichtigkeit auch in Stimmungen“, sagte Peter Schmidt. Diese Schlichtheit und Eleganz, aber auch die Stimmung wird in vielen seiner Entwürfe sichtbar.
Als der Wettbewerb für Design Innovationen und seine Auszeichnung „Roter Punkt“ aufgrund der Internationalisierung des Wettbewerbs und der Globalisierung im Design genau zu dieser Zeit eine neues, international verständliches Signet brauchte, war für Peter Zec klar, dass für diese Aufgabe nur einer infrage kommen konnte – Peter Schmidt:
„In Italien wurde unsere Auszeichnung damlas als „punto rosso“ bezeichnet. In Frankreich als „point rouge“. In Asien als „red dot“. Und in England gelegentlich etwas despektierlich als „red spot“. Es war an der Zeit zu handeln. Ende der 1990er Jahre begannen wir, über eine Lösung nachzudenken. Unser Ziel war es, eine internationale Marke zu kreieren, die nicht nur als Label geeignet sein sollte, sondern auch international verständlich. Als Designer kam für uns nur einer infrage, Peter Schmidt aus Hamburg.“
Und Peter Schmidt gestaltete mit dem Red Dot-Logo und dem Label für den Red Dot Design Award ein Zeichen für Designqualität, das sich in den letzten 25 Jahren zu einer globalen Marke entwickelt hat. Im Entwurf einer dreidimensional geformten Endlosspirale spiegeln sich ebenfalls die ästhetischen Prinzipien wider, denen sich Peter Schmidt verbunden fühlte: Klarheit und Raffinesse, Eleganz und Leichtigkeit.
Sein Leben lang folgte er seiner Intuition und seinen Gestaltungsprinzipien, ganz gleich, ob es sich um die Details eines Flakons handelte oder die überdimensionalen Bühnenbilder für das Theater oder das Ballett, die er in freundschaftlicher Verbundenheit mit Hamburgs ehemaligem Ballett-Chef John Neumeier entwarf. Seine Liebe zur Bühne, zum Ballett und zur Musik entdeckte Peter Schmidt bereits in seiner Jugend in Bayreuth, als er Anfang der 1950er Jahre – völlig unvorbereitet – Richard Wagners „Götterdämmerung“ sah: „Ich habe mit 14 Jahren schon die „Götterdämmerung“ gesehen. Unvorbereitet. Denn ich hatte zuvor noch nie in einem Theater gesessen. Das hat tiefe Spuren hinterlassen. Damals habe ich mir gewünscht, Bühnenbildner zu werden. Ich wusste natürlich nicht, was ein Bühnenbildner ist. Da ich aber gut zeichnen konnte, wollte ich etwas mit der Bühne zu tun haben.“
Es war ein Erweckungserlebnis. Peter Schmidt begriff, dass er die Welt nur verändern kann, wenn er sie gestaltet. Bleistift und Papier waren Zeit seines Lebens die wichtigsten Utensilien, um seine Freiheit und sein Potenzial als Gestalter in all seinen Facetten und in den unterschiedlichsten Disziplinen vollends auszuschöpfen. Seine Art, Designer zu sein war vor allem von seiner Art geprägt, Mensch zu sein. Seine Entwürfe zeugen von Intuition, Sensibilität, aber auch Stärke. Dass diese Qualität immer auch ein „sich einlassen“ auf Menschen und Dinge ist, spiegelt sich in seinen Entwürfen wider.
In einem Gespräch, das Peter Schmidt und Peter Zec einmal führten, sagte er mit Blick auf die Qualität der Situation: „Es gibt etwas, auf das ich nicht verzichten könnte. Und das ist die Temperatur, die entsteht, wenn einige wenige sympathische Menschen zusammen sind – die Qualitätstemperatur. In dieser Qualitätstemperatur gelingt etwas schneller und besser als bei einer anderen Temperatur. Sie wissen augenblicklich: Das ist es, und das ist gut. Das spüren sie. Und ich sehe meine Aufgabe darin, diese Qualitätstemperatur zu schaffen.“
„Im nächsten Jahr feiert Red Dot sein 25-jähriges Bestehen“, so Peter Zec. „Wie gern hätten wir mit ihm noch einmal gemeinsam darauf angestoßen! Schließlich hat er den Erfolg von Red Dot mit der Gestaltung eines Signets, das zu einem Synonym für Qualität geworden ist, maßgeblich beeinflusst“, so Peter Zec. „Wir werden ihn nicht nur vermissen, wir werden ihn vor allem in lebendiger Erinnerung behalten. Ein Gestalter, der seinen Platz in der Geschichte des Designs verdient hat. Ein Mensch, der zum Vorbild für uns und für andere geworden ist.“
27. Juli 2025
Text: Burkhard Jacob
Fotos: Stefan Maria Rother (Peter Schmidt während der Red Dot Gala 2001)











