Red Dot Gala: Product Design 2025 Start Livestream: 8. Juli, 17:45 Uhr (MESZ)
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Jury

Joe Lin

Joe Lin erwarb einen Bachelor-Abschluss an der Tamkang University in Taiwan und einen Master-Abschluss in Bauingenieurwesen an der National Taiwan University. Er ist Gründungspartner von YEN Partnership Architects und Vorstandsvorsitzender der Chinese Society of Interior Designers (CSID). Derzeit ist er Fakultätsmitglied im Fachbereich Architektur an der Chung Yuan Christian University (CYCU). 

Neben seiner beruflichen Tätigkeit ist Joe Lin als Gastkritiker an verschiedenen Universitäten tätig, wo er Vorlesungen hält und Diskussionen leitet. Dabei teilt er seine akademischen Forschungsergebnisse und räumlichen Studien, die neue Möglichkeiten in der Architektur und im städtischen Raum erforschen. Er engagiert sich auch stark in der Kultur- und Kreativwirtschaft. 

Unter seiner Leitung hat sein Team zahlreiche renommierte Auszeichnungen erhalten, darunter den TID Award, die HKDA Global Design Awards, den Golden Pin Design Award, den Taiwan Architecture Award, den Red Dot Design Award, den iF Design Award, die [d]arc awards, den A' Design Award & Competition und viele andere.

Joe Lin

Red Dot im Interview mit Joe Lin

Worin sehen Sie die größten Entwicklungen im Bereich Innenarchitektur?

Innenarchitektur entwickelt sich über reine Ästhetik hinaus – sie wird zu einer Disziplin, die sich mit menschlichem Verhalten, Nachhaltigkeit und sozialen Beziehungen auseinandersetzt. Zugleich verändert der Einsatz von Technologie, insbesondere von KI und smarten Systemen, unser Verständnis von flexiblen und personalisierten Raumerlebnissen.

Handelt es sich hierbei um globale Veränderungen oder sind Architektur und Innenarchitektur eher länderspezifisch?

Einige Trends, etwa Nachhaltigkeit und Wohlbefinden, sind global, da sie auf gemeinsame Herausforderungen reagieren. Ihre Interpretation bleibt jedoch lokal geprägt: durch Klima, Kultur und soziale Strukturen. Gutes Design ist meiner Meinung nach sowohl universell als auch stark kontextbezogen.

Sehen Sie das Potenzial eines Raumes auf den ersten Blick oder müssen Sie sich immer langsam herantasten?

Manchmal ist das Potenzial eines Raumes sofort erkennbar – durch Licht, Proportionen oder Atmosphäre. Oft nähere ich mich ihm jedoch lieber langsam an. Ein Raum offenbart sich erst mit der Zeit vollständig – durch Bewegung oder sogar durch Stille.

Welches Gebäude hat Sie bislang am tiefsten beeindruckt? 

Die Kirche des Lichts von Tadao Ando beeindruckt mich seit jeher. Es ist ein Raum der kraftvollen Stille, in dem die Architektur durch Licht und Schatten eine spirituelle Dimension erhält. Das erinnert mich daran, dass Zurückhaltung und Klarheit oft bewegender sind als Komplexität.

Wie sehen Sie die Nutzung öffentlicher Räume: Ist sie sorgfältig genug geplant oder gibt es etwas, das oft übersehen wird?

Öffentliche Räume konzentrieren sich häufig auf Form oder Effizienz, vernachlässigen aber emotionale Bindung und Inklusivität. Ein wirklich gelungener öffentlicher Raum sollte für alle einladend sein, spontane Interaktionen ermöglichen und das Zugehörigkeitsgefühl Nutzer und Besucher stärken.

Gibt es eine Epoche, die Ihrer Meinung nach eine Renaissance verdient hätte?

Die Arts-and-Crafts-Bewegung! Nicht aufgrund ihrer Form, sondern wegen ihres Geistes. Ihr Fokus auf Handwerk, Integrität und die Beziehung zwischen Mensch und Material scheint mir in unserer digitalen Gegenwart besonders relevant.

Sie geben Ihre Expertise auch an den Nachwuchs weiter: Gibt es grundlegende Werte, die Sie Ihren Studenten immer mit auf den Weg geben?

Empathie, Verantwortung und Neugier. Ich erinnere meine Studenten stets daran, dass Design mehr ist als schöne Gestaltung – es soll Leben verbessern, Normen hinterfragen und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.

In diesem Jahr waren Sie zum ersten Mal Juror beim Red Dot Award: Product Design. Wie beurteilen Sie die Gesamtqualität der Einreichungen?

Vielfalt und Tiefe der Beiträge haben mich beeindruckt. Viele Projekte überzeugten nicht nur durch ihre kreative Umsetzung, sondern auch durch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit sozialen und ökologischen Themen. Es ist ermutigend, Designs zu sehen, die sich trauen, zu hinterfragen, Haltung zu zeigen und neue Wege zu weisen.

Sind Design- und Architekturwettbewerbe für die Teilnehmer immer auch eine Gelegenheit, sich durch den Bewertungsprozess weiterzuentwickeln?

Ja. Wenn Wettbewerbe sorgfältig kuratiert werden, die Jurys breit aufgestellt sind und konstruktiv arbeiten, stellen sie wertvolle Feedback-Instrumente dar. Für viele Designer geht es nicht nur um die Auszeichnung, sondern auch um Reflexion, Dialog und Weiterentwicklung.