
Stjepko Rošin

Der 1972 geborene Designer Stjepko Rošin war schon immer ein Freigeist, den gerade das reizte, wofür er sich ein wenig mehr anstrengen musste. Während seines interdisziplinären Designstudiums in Zagreb kristallisierte sich recht bald heraus, dass im Industriedesign seine Stärke lag – und doch entschied er sich für das Grafikdesign. „Ich behaupte nicht, dass mein Weg der richtige ist, aber ich war immer zu kreativ, um mich an den Gepflogenheiten anderer zu orientieren. Ich habe mich von Beginn an für den schwierigeren Weg des Freiberuflers entschieden.“ Dies scheint rückblickend goldrichtig gewesen zu sein: Heute blickt Rošin auf unzählige Projekte zurück, die sein Gespür für Themen, Medien und Menschen in sich tragen. „Ich bin kein Bohemien, kein typischer Designer, und es geht mir nicht darum, der Erste oder Beste zu sein. Das ist nur ein flüchtiges Erleben. Erfolg liegt für mich im kontinuierlichen Wachstumsprozess und dem befriedigenden Gefühl, etwas Gutes und Wertvolles zu tun“, erzählt er. Auch mit diesem kraftvollen Buch zeigt er, dass es in der Gestaltung nicht immer laut sein muss: Mit feinfühliger Typographie und einer überraschenden Drucktechnik nutzt er die Stärke des Prints, um den Inhalt emotional zu vermitteln. Die enthaltenen Gedichte sollen einen dalmatinischen Dialekt vor dem Aussterben bewahren, wobei die verwendeten Idiome erst zu lesen sind, wenn man die Seiten ins Sonnenlicht hält. Eine interaktive Beschäftigung, die zum Nachdenken anregt und Sprache im Gedächtnis verankert.
Interview mit Stjepko Rošin
Red Dot: Was war der Initialfunke für dieses poetische Buch?
Mein Vater Jerko Rošin schrieb diese Gedichte, um den dalmatinischen Dialekt für die Geschichte zu bewahren. Er wollte mit ihnen das Wesen der Menschen in deren Sprache und anhand von lokalen Alltagsereignissen einfangen. Der Dialekt unterstützt die Authentizität und bewahrt ihn zugleich vor dem Vergessen. Die freie Form der Gedichte spiegelt außerdem den freien Geist der Menschen wider, für die Sprachwitz und der melodiöse Charakter der Reime wichtig sind. Ziel war es, stärkere Aufmerksamkeit auf das drohende Vergessen zu lenken und das Buch als Hüter eines immateriellen Kulturerbes zu gestalten. Mit einem klassischen Designansatz wäre das nicht gelungen – es galt ja nicht, den Dichter zu promoten oder sich als Designer zu profilieren, sondern darum, den Dialekt sowie das Medium Buch zu schützen.
Das Design ist hier Teil der Botschaft, denn die lichtsensitive Druckfarbe hat eine entscheidende Funktion …
Ich neige generell nicht dazu, Effekthascherei zu betreiben. Im Gegenteil: Ich versuche immer sicherzustellen, dass jede noch so kleine Linie in meinen Arbeiten kein Selbstzweck ist. So entstand die Idee, eine lichtsensitive Druckfarbe einzusetzen, erst, nachdem meine Aufgabe klar war, und nicht umgekehrt. Als ich mich mit dem Charakter des dalmatinischen Ortes – dem sonnigsten an der Adria – und seiner gemächlichen Bevölkerung beschäftigte, wurde mir klar, dass ich etwas Expressives gestalten musste, um Aufmerksamkeit zu erregen. Zudem musste es authentisch sein, um eine tiefere Verbindung zu den Menschen herzustellen. Diese fand ich wiederum in der Sonne oder vielmehr in dem Effekt, der ein sinnliches Vergnügen bereitet – wie ein Zaubertrick, der unser Inneres berührt und das Kind in uns weckt. Auf diese Weise unterhält, beschreibt, informiert und warnt das Buch gleichzeitig.
Sie haben sich für ein sehr kompaktes Format entschieden. Was waren Ihre Gründe dafür?
Da ein Buch bei Tageslicht gelesen wird, ist ein Taschenformat leichter zu transportieren und stets griffbereit sowie insgesamt besser nutzbar. Zudem hat die Form der Gedichte kein größeres Format verlangt – es wäre eine Verschwendung der Ressource Papier gewesen. Das Thema erfordert keinen Weißraum, sondern Sonnenlicht.
Was bedeutet Materialität generell für Sie und Ihre Arbeit?
Was mich an der Gestaltung traditioneller Medien generell reizt, ist die Authentizität der Wahrnehmung und damit die Haptik. Wir konzentrieren uns im Grafikdesign häufig nur auf den Sehsinn. Dabei wäre es wünschenswert, breiter und tiefer zu denken, um alle Sinne anzusprechen.
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