
Team Cicada’s Tune

In lauen Sommernächten ist es unüberhörbar: das Zirpen der Zikaden. Was, wenn man diesen charakteristischen Klang nicht nur hören, sondern auch sehen könnte? Diese Frage stellten sich Studierende an der Ling Tung University: Ruo-Xuan Chen, You-Zhen Lin, Hui-Chieh Lai, Yi-Ching Ho, Yong-Qi Lai und Wan-Chun Liu. Bei ihrer intensiven Recherche stieß das Team auf über 60 registrierte Zikadenarten in Taiwan und untersuchte akribisch deren Eigenheiten: „Dabei stellten wir fest, dass die Bestimmung anhand von Fotografien aufgrund der Ähnlichkeiten schwierig ist, und erstellten für jede Art eine realistische Illustration.“ Diese fanden ihren Platz auf Karten, zusammen mit Informationen zur jeweiligen Zikadenart. Doch die reine Visualisierung war den Studierenden nicht genug – sie wollten eine ganzheitliche Erfahrung schaffen und beschäftigten sich daher mit den Möglichkeiten des 3D-Drucks. Zunächst führte sie ihr Weg zu zwei Zikadenexperten, die ihnen Audioaufnahmen zur Verfügung stellten. „Um schließlich Klang und Bild zu kombinieren, entwarfen wir eine Reihe von Tonwiedergabegeräten sowie Schallwellenröhren. Jeder Zikadenruf wurde in eine 2D-Wellenform-Illustration umgewandelt, zu einem 3D-Schallwellenmodell weiterentwickelt und ausgedruckt“, erzählen die Studierenden. Wie bei einem Kassettenrekorder lassen sich diese Rollen austauschen, um die unterschiedlichen Zikadenlaute zu entdecken. So vereinten sich wissenschaftliche Recherche, visuelle Kommunikation und Produktdesign bei „Cicada’s Tune“ zu einem bemerkenswerten, interdisziplinären Projekt, dessen illustrative Qualität herausragend ist und die Möglichkeiten des 3D-Drucks offenbart. Eine aufwendige Nachwuchsarbeit, die innerhalb von sechs Monaten realisiert und von Professor Wei-Hsien Lan betreut wurde.
Interview mit You-Zhen Lin
Red Dot: Was hat Ihr Interesse an diesem Thema geweckt?
Alles begann mit dem lauten Zirpen direkt vor unserem Klassenzimmer. Uns fiel auf, dass wir zwar jeden Sommer Zikaden hören, aber genau genommen gar nichts über sie wissen. So begannen wir, das Zirpen im Internet zu recherchieren, und stießen dabei u. a. auf ihre wissenschaftlichen Namen: Cryptotympana atrata und Cryptotympana kotoshoensis. Dabei stellten wir auch fest, dass bislang keine geordneten Daten über taiwanesische Zikaden existieren. Dies war der Initialfunke für unsere intensive Beschäftigung mit diesem Thema. Wir fanden heraus, dass in Taiwan etwa 60 Zikadenarten registriert sind, von denen 60 Prozent endemisch auf der Insel leben. Das hat unsere Erwartungen weit übertroffen, wir gingen zuvor von etwa zehn Arten aus. Zudem überraschte uns, dass viele von ihnen in mittleren bis hohen Lagen nahezu unentdeckt beheimatet sind.
Was war Ihr Ziel bei der Erstellung dieser Arbeit?
Wir können uns gut vorstellen, dass unsere Arbeit als Lehrmittel für umweltbezogene Themen in Schulen, ökologischen Zentren oder bei Exkursionen im Freien eingesetzt wird. Derzeit basieren die meisten Umweltbildungsangebote auf dem Anklicken von Links oder Online-Videos. Dabei ermutigen Lehrer ihre Schüler oft, die Handys wegzulegen, den Computer zu verlassen und mehr Zeit in der Natur zu verbringen. Aus diesem Grund wollten wir ein physisches Gerät zur Wiedergabe der Zikadengeräusche entwickeln. Es soll eine neue und ansprechende Möglichkeit bieten, etwas über Taiwans Zikaden zu lernen.
Hatten Sie während des Studiums bereits Gelegenheit, mit 3D-Druck zu experimentieren?
Wir kannten 3D-Druck zwar bereits vor diesem Projekt, hatten ihn aber noch nie selbst ausprobiert. Es war ein unglaubliches Erlebnis – es fühlte sich an, als würden wir unsere Ideen direkt aus unseren Köpfen drucken. Ich kann nur jedem empfehlen, es einmal auszuprobieren!
Ihre Arbeit ist eine Kombination aus Kommunikation und Produktdesign: Reizt Sie interdisziplinäres Design besonders?
Wenn wir uns nur auf unsere Stärken im Grafikdesign konzentriert hätten, hätte etwas Besonderes gefehlt. Wir wollten unbedingt mit verschiedenen Medien experimentieren, und nach vielen Diskussionen trafen wir eine endgültige Entscheidung. Da wir noch keine Erfahrung im Designen von elektronischen Geräten hatten, war die Herausforderung groß. Wir mussten audiovisuelle Funktionen, Benutzerfreundlichkeit, Interaktivität, Tragbarkeit und das Erscheinungsbild berücksichtigen. Während dieses Prozesses hat jeder seine Rolle übernommen und individuelle Stärken eingebracht. Wir mussten zwar viele Hürden nehmen, aber letztlich waren alle Projektteile eine großartige Quelle der Inspiration.


