China Academy of Art, School of Communication & Design Team

In nur drei Monaten entstand ein außergewöhnlicher Band, der die Bewerbung Hangzhous als World Design Capital bekräftigen soll und zugleich Geschichte und Gegenwart der Stadt in einem ausdrucksstarken Porträt vereint. Das interdisziplinäre Team stellt dabei die Seide als prägendes Element des örtlichen Handwerks in den Mittelpunkt der taktilen Umsetzung. Mit einem ungewöhnlichen Format, einer abwechslungsreichen Bildsprache und einer präzisen Produktion gelang es, den Charakter Hangzhous eindrucksvoll einzufangen.

Interview mit Yue Ren

Red Dot: Können Sie etwas zur Entstehung des Buches erzählen?

Die Idee entstand anlässlich der Bewerbung von Hangzhou als World Design Capital: „Fabric City / Open Silkware / Unbound Design“. Mit einer 5.000-jährigen Zivilisation und 3.000 Jahren Seidenhandwerk ist Seide hier mehr als Material, sie ist eine kulturelle Metapher. Unter der Leitung von Professor Huang Sunquan und seinem Team an der China Academy of Art wollten wir das Bewerbungsbuch zu einem erlebbaren Designwerk machen. Es wurde als „tragbares Hangzhou“ konzipiert, das Landschaften, Handwerk, digitale Innovationen und den Ethos des offenen, gemeinsamen Designs verbindet. Es sollte ein kulturelles Statement sein. Die Form ist dabei ein integraler Bestandteil des Inhaltes. Das horizontale Layout mit axialer Handheftung erinnert an Landschaftsrollbilder: Beim Aufklappen fließen Seen, Berge und Gärten nahtlos über die Seiten, beim Schließen bündelt die Mittelachse das Werk wie eine alte Schriftrolle.

Sie haben die bedeutende Textilindustrie der Stadt auf taktile Weise in den Vordergrund gerückt. Können Sie uns diesen Bezug näher erläutern?

Seide ist das prägende kulturelle Symbol von Hangzhou. Für die Innenseiten des Buches wählten wir den Seidensatin „Four Seasons of Lin'an“ von Cathaya, hergestellt mit der weltweit fortschrittlichsten „Butterfly Satin AI Jacquard Weaving Technology“, die Millionen Webpunkte pro Quadratmeter erzeugt. Sie webte die „Vier Landschaftsszenen“ des Malers Liu Songnian aus der Song-Dynastie in Seide, sodass Seen und Berge unter den Händen in Bewegung erscheinen. 

Welche Herausforderungen gab es bei Konzept und Produktion?

Die größte Herausforderung war, historische Tiefe und zeitgenössische Vitalität zu vereinen. Dies gelang nur in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Seidenmarke Cathaya aus Hangzhou und dem Schriftdesignstudio Quinsay Design. So ließen sich traditionelle Techniken mit modernster digitaler Webkunst verbinden und die Struktur lateinischer Buchstaben mit der Kraft der östlichen Kalligrafie verschmelzen. Jedes Detail spiegelt die Kreativität und Designkompetenz Hangzhous wider.

Wie setzen Sie Illustrationen und Fotografie ein?

Illustrationen fungieren als „Anmerkungen“ zur Stadt, bewusst stilisiert, um Realität und kulturelle Interpretation zu verbinden. Die Fotos von Yan Fei sowie seinem Vater Yan Xiang dokumentieren Architektur, Räume und Veranstaltungen. In manchen Abschnitten haben wir auch Elemente aus historischen Gemälden eingewoben. Diese dreischichtige Struktur – historische Malerei, Illustration, Fotografie – erzeugt eine zeitliche Spannung und lässt die Leser zwischen Vergangenheit, Gegenwart, Realität und Darstellung wechseln, um den einzigartigen Charakter von Hangzhou zu erleben.