Red Dot Gala: Product Design 2025 Start Livestream: 8. Juli, 17:45 Uhr (MESZ)
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Interview mit Young Professional Anna Maria Sand Jensen

Aus Abfall wird Wunder: Anna Maria Sand Jensen über die Kunst nachhaltiger Keramik

Nachhaltigkeit ist im Design längst kein Trend mehr – sie ist eine Verantwortung. Der Red Dot Award: Product Design zeichnet Produkte aus, die Innovation, Funktionalität und Umweltbewusstsein vereinen und zeigt, wie wir unseren Umgang mit Materialien neu denken können. In der Metakategorie „Sustainable Design“ bringt Anna Maria Sand Jensen, die kreative Kraft hinter den Unwasted Tiles, Keramik auf ein neues Level: Sie verwandelt alltäglichen Abfall in handgefertigte Fliesen, die gleichzeitig schön und funktional sind.

Im Interview spricht sie über ihre Inspirationen, Herausforderungen und Zusammenarbeit mit Partnern – und darüber, wie Nachhaltigkeit zum Herzstück ihres Designs wird.

Red Dot: Die Unwasted Tiles verwandeln alltäglichen Abfall in funktionale und schöne Fliesen. Was hat Sie dazu inspiriert, so ungewöhnliche Materialien zu verwenden?
Anna Maria Sand Jensen: Ich wollte mit meinem Handwerk etwas schaffen, das wirklich Sinn für andere macht, und gleichzeitig meinen eigenen Werten treu bleiben, wenn es um Konsum und Ressourcen geht. Mir war wichtig zu zeigen, dass Schönheit und Ästhetik einen Unterschied machen können – für neue Designs und für unser Wohlbefinden in der gebauten Umgebung. Wir sind von Gegenständen umgeben, aber nur wenige davon sind handgemacht oder sprechen unsere Sinne wirklich an. Ich wollte Design schaffen, das Menschen auf einer ganz direkten Ebene anspricht – wie wir täglich mit Materialien leben.

Wie gelingt es Ihnen, Nachhaltigkeit mit dem natürlichen Look und der besonderen Haptik Ihrer Fliesen zu verbinden?
Für mich gehören Nachhaltigkeit und Ästhetik zusammen. Ich habe viel mit klassischen Keramiktechniken experimentiert und geprüft, welche Abfälle oder Nebenprodukte in Keramik verwendet werden können. Das Ergebnis ist nie einheitlich, denn kleine Unterschiede in Farbe und Struktur entstehen immer. Anstatt das als Problem zu sehen, habe ich es bewusst angenommen. Diese feinen Unterschiede machen die Fliesen spannend und zeigen, dass jedes Stück einzigartig ist. Für mich ist das echtes zirkuläres Denken: Design, das Unvorhergesehenes zulässt und Materialien mitgestalten lässt.

Auf welche Aspekte Ihres Designs sind Sie besonders stolz?
Besonders stolz bin ich auf meine Materialbibliothek. Über die Jahre habe ich mehr als 100 Rezepte entwickelt – von verschiedenen Tonarten über Fliesen mit bis zu 100 Prozent Abfallanteil und einer großen Farbpalette aus Glasuren, die ebenfalls aus Abfall bestehen. Das gibt mir eine starke Basis für die Zusammenarbeit mit Architektinnen, Architekten, Designerinnen und Designern und erlaubt mir, flexibel mit Farbe und Struktur zu arbeiten.

Genauso wichtig sind die Kooperationen selbst – zum Beispiel mit einem dänischen Eierproduzenten, der Eierschalen liefert. Solche Partnerschaften zeigen, dass Abfall zu etwas Wertvollem werden kann und Design durch Zusammenarbeit wächst.

Gab es Momente im Projekt, die Sie besonders inspiriert oder die Richtung verändert haben?
Ein entscheidender Moment war, als ich den versteckten Einfluss der Keramikindustrie auf Umwelt und Gesellschaft erkannte. Rohstoffabbau belastet die Biodiversität, für Arbeiterinnen und Arbeiter hat er soziale Folgen, und es entstehen enorme Mengen Keramikabfall – in Produktion und am Ende der Lebensdauer eines Produkts. Ich sah das nicht nur als Herausforderung, sondern als Gestaltungsaufgabe: Wie kann Keramik für 2025 und darüber hinaus neu gedacht werden?

Das brachte mich dazu, über die Branche hinaus zu denken und mit anderen Bereichen zu kooperieren – etwa mit Lebensmittelabfällen oder landwirtschaftlichen Nebenprodukten wie Eierschalen oder Stroh. Ich entdeckte, dass Stroh zu Glasur schmelzen kann und zerschlagene Töpferwaren eine neue Tonmasse für Fliesen ergeben. So können Materialien, die wir übersehen, neuen Wert bekommen – durch „Unwasting“ also durch „Ent-Abfallung“.

Haben Mentoren oder Kollegen Ihre Vision beeinflusst?
Auf jeden Fall. Während meines Studiums an der Royal Danish Academy habe ich viele Fragen gestellt: Woher kommen unsere Glasuren? Was passiert mit fehlgeschlagenen Projekten? Können wir sie recyceln? Meine Professorinnen und die Leitung des Studiengangs haben meine Neugier unterstützt, mir Geräte zum Zerkleinern von Abfällen zur Verfügung gestellt und mir geholfen, Ressourcen außerhalb des üblichen Rahmens zu finden.

Genauso wichtig war die Offenheit lokaler Unternehmen, die mir erlaubt haben, ihren Abfall zu sammeln – selbst kleine Höfe auf Bornholm. Menschen zu treffen, Ideen auszutauschen und meinen Prozess zu öffnen, war ein starker Motor, der alles zum Leben erweckte.

Wie bleiben Sie als junge Designerin innovativ und gleichzeitig authentisch?
Gutes Design bleibt über die Zeit relevant und ist damit ein Beitrag zur Nachhaltigkeit. Meine Fliesen können überarbeitet, repariert und angepasst werden, etwa bei Renovierungen, an Fassaden oder als kleine Details rund ums Fenster. Ich experimentiere auch damit, dieselben Rezepte für andere Objekte wie Tassen zu nutzen, sodass nachhaltige Entscheidungen auch in unseren Alltag einfließen.

Für mich bedeutet zukunftsweisendes Design nicht, vorzugeben, alle Antworten zu haben. Es geht darum, sich stetig weiterzuentwickeln, offen für neue Entdeckungen zu bleiben und Design auf ehrliche Materialnutzung und Naturbezug zu gründen.

Welche Projekte oder Branchen reizen Sie besonders mit Blick in die Zukunft?
Besonders interessiert mich die Bauindustrie. Architektur prägt unser Wohlbefinden stark, wir erleben Gebäude mit allen Sinnen: Farben, Texturen, Maßstab. Keramik hat schützende Qualitäten, wie Feuerbeständigkeit, die neue Biomaterialien ergänzen könnten.

Ich sehe auch großes Potenzial, Keramik insgesamt zirkulärer zu gestalten: Ich verwende dasselbe Material für Fliesen und für Geschirr wie Tassen. So kann Design nahtlos zwischen Architektur und Alltag wechseln – Nachhaltigkeit bleibt dabei stets im Mittelpunkt.

Wie hat die Teilnahme am Red Dot Award: Product Design Ihr persönliches Wachstum oder Ihre Karriere als junge Designerin beeinflusst?
Die Auszeichnung war eine große Anerkennung meiner Arbeit über die Werkstatt hinaus. Mit alternativen Materialien zu arbeiten bedeutet viele Fehlschläge, Tests und Wiederholungen. Dass eine so hochgeschätzte Jury die Qualität anerkennt, gibt mir Energie, weiter zu forschen und zu gestalten. Es bestärkt mich darin, dass meine Arbeit gebraucht wird, und motiviert mich, kreativ zu wachsen. Besonders wertvoll ist die Auszeichnung in der Kategorie „Sustainable Design“, weil Nachhaltigkeit bei jedem Schritt meines Prozesses im Zentrum steht.

Wie haben Sie die Preisverleihung in Essen erlebt?
Es war eine wunderschöne Feier dessen, was uns menschlich macht: unsere Fähigkeit zu schaffen. Überall sah ich durchdachtes Design, und in Essen trafen so viele unterschiedliche Disziplinen zusammen. Für mich als junge Designerin war es inspirierend, Menschen zu treffen, deren Arbeiten ich bisher nur aus dem Studium kannte. Es hat mir das Gefühl gegeben, Teil einer globalen Design-Community zu sein und gleichzeitig etwas Eigenes beizutragen.

Welchen Tipp würden Sie jungen Designerinnen und Designern geben, die gerade anfangen?
Bleibt ehrlich, kreativ und neugierig. Wir denken oft, alles müsse perfekt sein, bevor wir es zeigen. Aber ich glaube, der Prozess und die Ideen sind das Herzstück von Design. Habt keine Angst vor unfertigen Prototypen, denn sie bergen großes Potenzial.

Und bleibt nah an den Materialien – egal ob Holz, Glas, Metall oder Keramik. Mit den Händen zu arbeiten und zu skizzieren offenbart Einsichten, die kein Bildschirm liefern kann. Es liegt so viel vor uns, und jede Generation lernt von den anderen und trägt gleichzeitig etwas Neues bei.

 

Save the Date: Young Professionals Application Day 2025 – 19. November

Am 19. November 2025 haben junge Gestalterinnen und Gestalter 24 Stunden Zeit, sich einen von 50 kostenlosen Anmeldeplätzen für den Red Dot Award: Product Design 2026 zu sichern.

Wer ausgelost wird, erhält eine kostenfreie Wettbewerbsteilnahme – und damit die Chance, sich mit den Besten der Branche zu messen und die eigene Arbeit einem globalen Publikum zu präsentieren. Bei einer Auszeichnung gibt es zusätzlich das Winner Package Regular kostenlos, das umfassende Unterstützung bietet, um den Erfolg international zu kommunizieren.

Teilnehmen können alle, deren Abschluss nicht länger als fünf Jahre zurückliegt.

Weitere Informationen zur Teilnahme und zu den Bewerbungsbedingungen finden Sie hier.